Populismus und Wahrheit: Zwischen Gefühl, Macht und Fakten

Der Populismus lebt von der Emotion, nicht von der Evidenz. Wer ihn mit Faktenchecks bekämpfen will, stößt schnell an eine Grenze: Fakten prallen an, weil sie nicht auf der gleichen Ebene wirken wie die Rhetorik, gegen die sie gerichtet sind. Populistische Kommunikation zielt auf das Gefühl – auf Empörung, Angst, Stolz und das Bedürfnis, dazuzugehören. Die Wahrheit wird nicht als objektiver Maßstab verstanden, sondern als Ausdruck von Zugehörigkeit: Wahr ist, was sich richtig anfühlt.

Darin liegt die Schwierigkeit der rationalen Gegenrede. Ein Faktencheck kann aufklären, aber er verändert selten Überzeugungen, die emotional verankert sind. Er wird von jenen, die sich in ihrer Weltanschauung bestätigt fühlen wollen, als Angriff erlebt. Die Ablehnung der Fakten ist damit selbst ein Zeichen der Loyalität zur eigenen Gruppe. Der Populismus immunisiert sich gegen Kritik, indem er die Quelle der Korrektur – Medien, Wissenschaft, Institutionen – als Teil des „Systems“ diskreditiert.

Trotzdem wäre es falsch, daraus die Nutzlosigkeit des Faktenchecks zu folgern. Seine Wirkung entfaltet sich anders: weniger unmittelbar, aber strukturell. Faktenchecks sind Teil eines demokratischen Immunsystems. Sie markieren die Grenzen zwischen Irrtum und Lüge, zwischen Meinung und Manipulation. Sie stabilisieren die Idee, dass Wahrheit nicht beliebig ist – auch wenn sie unbequem bleibt. Entscheidend ist dabei nicht die Überzeugung der Lautesten, sondern die Orientierung der Vielen, die noch bereit sind zuzuhören.

Die Verzerrung von Fakten ist im Populismus kein Versehen, sondern Methode. Sie dient der Emotionalisierung, der Delegitimierung von Institutionen, der Bildung eines klaren „Wir gegen die da oben“. Indem komplexe Zusammenhänge vereinfacht und verfälscht werden, wird politische Macht handhabbar gemacht: Gefühle ersetzen Differenzierung, und die Kontrolle über das Narrativ ersetzt die Auseinandersetzung mit der Realität.

So gesehen ist der Kampf um Wahrheit nicht nur ein Kampf um Fakten, sondern um Vertrauen. Faktenchecks allein reichen nicht, wenn die gesellschaftliche Beziehung zur Wahrheit erodiert. Es braucht zugleich Räume der Erfahrung, des Dialogs und der geteilten Wirklichkeit, in denen sich Vernunft und Empathie wieder berühren. Der Populismus gedeiht dort, wo Menschen sich unverstanden fühlen. Ihm zu begegnen heißt also, nicht nur zu widersprechen, sondern zuzuhören – ohne die Wahrheit preiszugeben.